Förderung der strategischen Veränderungskompetenz von KMU

Herausforderungen für den Umgang mit Veränderung in KMU

Die kontinuierliche Anpassung an veränderte Umweltbedingungen ist für Unternehmen überlebensnotwendig. In der Praxis geschieht diese Anpassung vor allem in kleinen und mittelständischen Unternehmen (KMU) aufgrund von engen Ressourcen meist spontan und ‚intuitiv‘ und ist selten strategisch geplant (Güttel, 2006). Ein Mangel an strategischer Veränderung kann dazu führen, dass es langfristig unmöglich wird, auf neue Anforderungen aus der Umwelt entsprechend zu reagieren. Negative Entwicklungsverläufe in Form von manifesten Krisen bis hin zur Liquidation des Unternehmens können die Folge sein. Wollen KMU im Spannungsfeld von geplanten und ungeplanten Wandelprozessen positive Entwicklungsverläufe erzielen, ist neben der Entwicklung von personellen Kompetenzen (z.B. Führungskompetenz, kaufmännisch-buchhalterische Kompetenz) die Entwicklung von organisationalen Veränderungskompetenzen unerlässlich (Güttel, 2006; Schweiger, 2012). Unter organisationaler Kompetenz versteht man die Fähigkeit einer Organisation, Inputgüter und interne Ressourcen so zu nutzen, dass das Leistungspotenzial der Organisation ausgeschöpft wird (Fichtner, 2008). In Hinblick auf Veränderung bedeutet dies beispielsweise, dass das Unternehmen in der Lage ist, Trends in der Branche zu erkennen und an diese Trends angepasste Produktinnovationen auf den Markt zu bringen. Organisationale Kompetenz manifestiert sich unter anderem in routinisierten Abläufen und Prozessen (z.B. kontinuierlicher Verbesserungsprozess) und in kollektivem Wissen (z.B. Best Practices). Organisationale Kompetenzen können durch den Einsatz von geeigneten Strukturen (z.B. Aufbau einer F&E-Abteilung) und Abläufen (z.B. standardisierter Umgang mit Kundenbeschwerden) unterstützt werden.

Bei der professionellen Unternehmensgestaltung in KMU wird häufig versucht, Ansätze, die in großen Unternehmen funktionieren auf KMU zu übertragen. Dabei gibt es allerdings eine Reihe von Rahmenbedingungen zu berücksichtigen, welche die Übertragbarkeit deutlich einschränken (Bussiek, 1996; Volkmann & Tokarski, 2006): Zum Einen sind in KMU die finanziellen und personellen Ressourcen häufig knapp und es ist lediglich ein begrenzter Zugriff auf externe Finanzierungsquellen möglich. Zum Anderen fehlt es oft an ExpertInnen für Veränderungsprozesse und an systematisierten Planungs- und Regelsystemen zur erfolgreichen Umsetzung von Veränderungen. Konkrete Methoden zur Analyse und Förderung der Entwicklung strategischer Veränderungskompetenzen für KMU existieren bisher kaum (z.B. Madsen et. al 2006; Frank, Güttel & Kessler, 2008). Im Folgenden wird ein Modell vorgestellt, das beschreibt, welche organisationalen Kompetenzen KMU brauchen, um sich strategisch weiter zu entwickeln. Für jede der Kompetenzen werden Diagnose- und Interventionsmöglichkeiten vorgeschlagen.

 

Komponenten strategischer Veränderungskompetenz

In Anlehnung an Güttel (2006) wird davon ausgegangen, dass sich die organisationale Veränderungskompetenz aus Strategieentwicklungs-Kompetenz, Generierungskompetenzen und Umsetzungskompetenzen zusammensetzt.

Die Strategieentwicklungs-Kompetenz umfasst die Fähigkeit eines Unternehmens, sich unter Berücksichtigung der verfügbaren Ressourcen ein längerfristiges Ziel (Vision) zu setzen und die Unternehmensentscheidungen auf die Erreichung des Zieles auszurichten. Typischerweise ist die Strategieentwicklungskompetenz in KMU bei der Geschäftsführung angesiedelt. In selteneren Fällen werden Führungskräfte und Mitarbeiter in die Strategieentwicklung eingebunden.

Als Generierungskompetenzen sind die organisationale Suchkompetenz, die Reflexionskompetenz sowie die Absorptionskompetenz definiert. Die Suchkompetenz meint die Fähigkeit eines Unternehmens, durch etablierte Routinen Umweltbeobachtungen durchzuführen, um dadurch effektiv Innovationsmöglichkeiten zu erkennen. Während große Unternehmen in der Regel eigene Abteilungen (z.B. Marktforschung) haben, ist in KMU aus Ressourcengründen die Suchkompetenz häufig über unterschiedliche Stellen verteilt und passiert „nebenbei“: So nehmen etwa einzelne MitarbeiterInnen an Konferenzen teil, oder erhalten Newsletter von relevanten Netzwerken. Die Reflexionskompetenz entspricht der organisationalen Fähigkeit zur Beobachtung der eigenen Organisation durch etablierte Routinen der Fremd- und Selbstreflexion. Zum Beispiel könnten nach dem Abschluss von Projekten die positiven und negativen Erfahrungen gesammelt und dokumentiert werden. Absorptionskompetenz bedeutet die organisationale Fähigkeit, durch etablierte Routinen Wissen aufzunehmen, zu transformieren und in die organisationale Wissensbasis zu integrieren. Absorptionskompetenz kann sich unter anderem darin äußern, dass basierend auf Informationen über neue Branchentrends im Unternehmen innovative Produktideen entwickelt werden können.

Die Umsetzungskompetenzen umfassen die organisationale Planungskompetenz und die Handlungskompetenz. Planungskompetenz ist die Fähigkeit des Unternehmens zur Operationalisierung der strategischen Zielvorgaben und umfasst die Erstellung von Umsetzungsplänen sowie die Identifikation von Barrieren. Häufig besteht in KMU ein großes Problem darin, dass die MitarbeiterInnen vollständig für Kundenaufträge verplant sind. Die Planungskompetenz ist beispielsweise hoch, wenn Veränderungsvorhaben so geplant werden, dass sie sich neben dem Tagesgeschäft realisieren lassen. Die organisationale Handlungskompetenz meint schließlich die Fähigkeit des Unternehmens, geplante Veränderungsvorhaben erfolgreich in die Umsetzung zu bringen. Dazu gehört die ausreichende Qualifikation der MitarbeiterInnen oder die Anschaffung von erforderlichen Arbeitsgeräten.

 

Diagnose und Entwicklung strategischer Veränderungskompetenzen

Die Förderung der Entwicklung der organisationalen Veränderungskompetenz in KMU bedarf einer gezielten Vorgehensweise. In einem ersten Schritt sollte eine Analyse der Ausprägung der Veränderungskompetenz im jeweiligen Unternehmen durchgeführt werden. Dazu eignen sich die in Tabelle 1 aufgelisteten Leitfragen, die sich das Management eines KMU alleine oder gemeinsam mit externen BeraterInnen stellen kann.

 

 

Tabelle 1: Leitfragen zur (Selbst-)Diagnose der strategischen Veränderungskompetenz

Veränderungs-kompetenz Leitfragen zur (Selbst-)Diagnose
Strategieentwicklung Wie gut gelingt es dem Unternehmen, sich bewusst und strategisch weiter zu entwickeln?

Gibt es ein übergeordnetes Ziel (Vision) des Unternehmens? Ist dieses Ziel den MitarbeiterInnen bekannt? Gibt es ein klares Verständnis darüber, wie das Unternehmen versucht, dieses Ziel zu erreichen (Strategie)? Sind die relevanten Aspekte der Strategie den MitarbeiterInnen bekannt?

Suche Wie gut gelingt es dem Unternehmen, über neue Trends und Innovationen in der Branche auf dem Laufenden zu bleiben?

Gibt es geeignete Kanäle über die neue Informationen ins Unternehmen gelangen? Sind diese Informationen ausreichend, sodass keine potenziell relevanten Trends übersehen werden? Werden alle potenziell relevanten Quellen genutzt?

Reflexion Wie gut gelingt es dem Unternehmen, aus eigenen Erfahrungen (Fehlern, Erfolgen) zu lernen?

Ist klar, welches die Kernaufgaben- und Prozesse sind, in denen sich das Unternehmen kontinuierlich verbessern möchte? Findet an diesen Stellen kontinuierliche Verbesserung statt?

Absorption Wie gut gelingt es dem Unternehmen, neue Ideen zu verinnerlichen?

Gibt es geeignete Kanäle über die neue Informationen im Unternehmen weitergegeben können? Ist die Weitergabe von Informationen ausreichend? Werden diese Informationen im Unternehmen in ausreichendem Maß genutzt?

Planung Wie gut gelingt es dem Unternehmen, strategische Veränderungen bei der Planung zu berücksichtigen?

Wird die Strategie (oder Vision) in die Planung einbezogen? Werden die für die Veränderung notwendigen Ressourcen realistisch geplant? Ist die Planung flexibel für Abweichungen?

Handlung Wie gut gelingt es dem Unternehmen, strategisch geplante Veränderungen auch umzusetzen?

Ermöglichen Strukturen und Abläufe im Unternehmen die geplanten Veränderungen bzw. werden diese gegebenenfalls angepasst? Werden bei geplanten Veränderungen erforderliche Weiterbildungen der MitarbeiterInnen berücksichtigt? Werden Zielvorgaben und Belohnungssysteme an die Veränderungen angepasst?

Die in Tabelle 1 aufgelisteten Leitfragen stellen zwar kein Diagnoseinstrument im engeren Sinn dar, können jedoch einen ersten Eindruck über die Ausprägung der Veränderungskompetenzen im betrachteten Unternehmen geben: Je mehr der Fragen in Tabelle 1 mit „Ja“ beantwortet werden können, desto höher ist die entsprechende Veränderungskompetenz ausgeprägt. Zeigt diese erste (Selbst-)Diagnose der strategischen Veränderungskompetenzen einen Entwicklungsbedarf auf, gibt es unterschiedliche Methoden, mit denen in die Strategieentwicklungs-, Generierungs- und Umsetzungskompetenzen in Unternehmen verbessert werden können (siehe Tabelle 2).

Tabelle 2: Methoden zur Verbesserung der strategischen Veränderungskompetenzen

Veränderungs-kompetenz Methoden und Instrumente zur Kompetenzentwicklung, die sich für KMU eignen
Strategieentwicklung SWOT-Analyse; Effectuation; Stakeholder-Netzwerk-Analyse
Suche Porter’s 5-Forces; systematische Auswertung von Kundenanfragen;
Reflexion Reflexions-Workshops (abteilungsübergreifend); Datenauswertung zur Erhebung des Ist-Standes; Einzel- und Teamsupervision
Absorption Technologie-gestützte Wissensmanagement-Systeme, die einfachen Wissensaustausch ermöglichen (z.B. Wikis); Teamarbeit und wechselnde Team-Zusammensetzungen;
Planung Kompetenzmodelle (z.B. Aufgaben-Kompetenz-Matrix); strategische Personalplanung; operative Pläne für Veränderungsprojekte; Allokation von zeitlichen Ressourcen für Innovation und Veränderung
Handlung Integration der strategisch geplanten Veränderungen in die Zielvorgaben; gezielte Weiterbildungsplanung; Anpassung der Evaluierungs- und Belohnungssysteme; Entwicklung von neuen Prozessen und Routinen

 

Diskussion

Im vorliegenden Artikel wurden unterschiedliche Komponenten von strategischer Veränderungskompetenz beschrieben, die zentral für die Veränderungsfähigkeit von KMU sind. Eine wichtige Voraussetzung für die Entwicklung der einzelnen Kompetenzkomponenten ist der Aufbau einer entsprechenden Unternehmenskultur (vgl. Schein, 1990). Eine förderliche Kultur ist geprägt durch Vertrauen, Kritikfähigkeit, Offenheit für Neues und durch einen konstruktiven Umgang mit Fehlern. Beim Aufbau strategischer Veränderungskompetenz in KMU kommt Führungskräften eine Schlüsselrolle zu. Führungskräfte leben durch ihr Verhalten und ihren Führungsstil Unternehmenswerte vor (Mohn, 2012). Darüber hinaus fördert ein wertschätzender Umgang mit MitarbeiterInnen das persönliches Engagement und die Bereitschaft, Ideen und Verbesserungsvorschläge einzubringen.

Während die Diagnose von Veränderungskompetenz eine isolierte Betrachtung der einzelnen Kompetenzkomponenten erfordert, existieren diese natürlich nicht unabhängig voneinander. Die Strategieentwicklungskompetenz hängt beispielsweise eng mit der Entscheidung zusammen, welche Quellen bei der Suche nach externen Informationen berücksichtigt (Suchkompetenz) oder welche Kernprozesse regelmäßig hinterfragt werden sollen (Reflexionskompetenz). Die Frage, wie wichtig die einzelnen Komponenten für die gesamte strategische Veränderungskompetenz eines Unternehmens sind, beziehungsweise welche komplexen Wechselwirkungen zwischen den Komponenten existieren, ist Gegenstand zukünftiger Forschungen.


Erschienen 2014, von  FH-Prof. Dr. Barbara Kump und FH-Prof. Dr. Christina Schweiger

Photo: Chris Zvitkovits

 

Referenzen

Bussiek, J. (1996). Anwendungsorientierte Betriebswirtschaftslehre für Klein- und Mittelunternehmen. 2. Auflage, Oldenbourg.

Frank, H.; Güttel, W.; Keßler, A. (2008). Dynamic Capabilities: How They Become What They Are. Strategic Management Society (SMS) 28th Annual International Conference, Cologne, Deutschland, 12.10-15.10.

Fichtner, H. (2008): Unternehmenskultur und strategisches Kompetenzmanagement, Wiesbaden.

Güttel, W. (2006). Corporate Entrepreneurship als Strategie. In: H. Frank (Ed.), Corporate Entrepreneurship (pp. 80-111). Wien: Wiener Universitätsverlag.

Madsen, E.L; Alsos, G.A.; Borch, O.J; Ljunggren, E.; Brastad, B. (2006). Developing entrepreneurial orientation – The role of dynamic capabilities and intangible resources, RENT XX: Research in Entrepreneurship and Small Business: Brussels (Belgium).

Mohn, L. (2012). Unternehmenskultur und Führung: Erfolgsfaktoren zur Gestaltung der Zukunft in Wirtschaft und Unternehmen. In H. Bruch, B. Vogel, & S. Krummaker (Hg.), Leadership-Best Practices und Trends (2. Aufl., pp. 209-218). Wiesbaden: Springer Gabler.

Schein, E. H. (1990). Organizational culture. American Psychologist, 45(2), 109-119.

Schweiger, C. (2012). Junge Technologieunternehmen. Systemische Personal- und Organisationsentwicklung. Wiesbaden: Springer Gabler.

Volkmann, C. K., & Tokarski, K. O. (2006). Entrepreneurship. Gründung und Wachstum von jungen Unternehmen. Stuttgart: Lucius & Lucius.

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