Agilität in die Organisation bringen

Der Modebegriff Agilität umfasst die Fähigkeit, initiativ, antizipativ und flexibel zu agieren, um notwendige Veränderungen herbeizuführen. Agilität ist in aller Munde: agiles Mind-Set, agile Mitarbeiter, agile Organisationen, agile Coaches, agile Strukturen, ja sogar Unternehmenskulturen sollen agil werden, damit Organisationen disruptive Entwicklungen bewältigen können. Der „agile Methodenkoffer“ ist in den letzten Jahren deutlich gewachsen, um den Bedarf an Training und Beratung befriedigen zu können. Gleichzeitig zeigt sich, dass die aglien Methoden der Software-Entwicklung nur mit eingeschränktem Erfolg auf die ganze Organisation angewandt werden können.

 

Ein mit der Agilität verwandter Ansatz ist jener der strategischen Veränderungsfähigkeit von Organisationen, der tief im strategischen Management verwurzelt ist. Er umfasst ein Set an Kompetenzen, das Organisationen ermöglicht, proaktiv, flexibel und einzigartig, d.h. gemäß ihren eigenen inneren Fähigkeiten, Strukturen und Ressourcen, notwendige Veränderungen zu erkennen und zu implementieren. Im Rahmen eines mehrjährigen Forschungsprojektes rund um dieses Thema, wurde zur Stärkung der Agilität der teilnehmenden Unternehmen eine Workshop-Reihe in Anlehnung an den lösungsfokussierten Beratungsansatz nach Steve De Shazer & Insoo Kim Berg durchgeführt. In rund 40 Workshops konnten fünf einfache Prinzipien abgeleitet werden, die sich nützlich erwiesen haben, um die Agilität von Teams zu stärken.

 

Prinzip 1: Veränderung, die aus der Zukunft kommt

Ein Perspektivenwechsel auf die präferierte Zukunft ermöglicht es, ein gemeinsames Bild über den angestrebten Sollzustand zu entwickeln. Mithilfe so genannter Future Jumps versetzt sich das Team in ein ideales und dennoch realistisches Zukunftsbild. Folgende Beispielfragen geben einen Einblick: Was ist nach der Veränderung konkret anders? Woran werden wir das konkret bemerken? Wie fühlen es sich dann an? Ist die Vorstellung dieser gelingenden Zukunft erst einmal konkret im Raum, können aus dieser Zukunftsperspektive retrospektiv konkrete Umsetzungsschritte und Veränderungsideen zur Erreichung des idealen Zielbildes entwickelt werden. Dieser Fokus gibt Orientierung und fördert ein antizipatives, proaktives und selbstorganisiertes Verhalten des Teams.

 

Prinzip 2: Aus der Vergangenheit lernen

Kennt ein Team die eigene Organisationslogik und weiß es daher, wie es im Umgang mit Veränderungen tickt, kann es bewusst entscheiden, mehr von dem zu tun, was in solchen Situationen schon einmal funktioniert hat und gleichzeitig jene Verhaltensweisen zu vermeiden, die in ähnlichen Situationen in der Vergangenheit nicht funktioniert haben. Identifizieren lassen sich solch typische Verhaltensmuster mit Methoden der Vergangenheitsanalyse wie der Zeitstrahlmethode. Dadurch wird die Fähigkeit entwickelt, Erfolge und Misserfolge zu antizipieren. Der Fokus auf bereits Gelungenes stiftet Mut und Zuversicht, Mobilisiert Ressourcen des Teams und führt fallweise zu einer Erhöhung des Veränderungstempos.

 

Prinzip 3: Sog statt Druck erzeugen

Veränderungsdruck beeinträchtigt die Agilität selbst der besten Teams. Auch hier ist das Motto „Mache mehr von dem, was bereits gelingt!“ hilfreich. Der Fokus wird auf das Gelingen im aktuellen Alltag gerichtet. Besonders in turbulenten Zeiten kann es hilfreich sein, regelmäßig im Team zu reflektieren, wo es im Alltag positive Ausnahmen abseits vorhandener Probleme gibt. Einfache Fragen im Teammeeting wie „Was ist uns vergangene Woche gut gelungen, worauf sind wir stolz?“ helfen dabei, den Fokus auf die vorhandenen Stärken und Ressourcen des Teams zu richten. Diese Perspektive kann eine Art Sog erzeugen, da sie den Teams trotz Veränderungsdruck dabei hilft, bei Misserfolgen initiativ, flexibel und proaktiv zu bleiben.

 

Prinzip 4: Einen klaren Rahmen setzen

Klarheit über den Entscheidungs- und Handlungsspielraum hat positive Effekte auf die Agilität eines Teams. Wird bei Veränderungsvorhaben beispielsweise nicht klar kommuniziert, ob und in welcher Form Veränderungsideen eingebracht werden dürfen, welche Entscheidungen und Handlungen im Zuge der Veränderungen im Team selbstorganisiert getroffen werden können und wo die Grenzen zu anderen Abteilungen und dem strategischen Management liegen, führt das zu Irritation und Resignation. Den Entscheidungs- und Handlungsrahmen für sein Team stets aufs Neue zu verhandeln und zeitnah an sein Team zu kommunizieren lohnt sich, denn innerhalb des vordefinierten Rahmens können Mitarbeiter/innen flexibel und selbstständig agieren.

 

Prinzip 5: Widersprüche normalisieren

In jeder Organisation existieren Widersprüchlichkeiten, aus denen eine gewisse Spannung in der täglichen Arbeit resultiert. Beispielsweise möchte ein Familienunternehmen auf der einen Seite die Tradition bewahren und auf der anderen Seite Innovationen hervorbringen. Führungskräfte finden in ihren Teams Personen, die sich entweder verstärkt der Tradition oder verstärkt der Innovation zuwenden. Solche Spannungsfelder sind der Agilität nicht immer dienlich und können im genannten Beispiel sowohl Traditions- als auch Innovationsvorhaben blockieren Wer sich von dieser „Entweder-Oder-Logik“ verabschieden kann und Teams auf eine „Sowohl-Als-Auch-Logik“ auszurichten vermag, schafft so Bedingungen für eine agile Kultur. Beide Seiten haben ihre Existenzberechtigung und können gleichermaßen für strategische Veränderungsvorhaben nützlich sein.

 

Agilität von Teams erfordert nicht immer ein komplexes Set an Methoden. Häufig sind auch die einfachen Werkzeuge wirksam. Diese fünf Prinzipien sind einfach zu verstehen und hoch wirksam, jedoch erfahrungsgemäß nicht immer leicht im Alltag zu verankern. Auch hier gilt Steve de Shazer’s oft zitierter Aussage: Easy but not simple!

 

Von Christina Schweiger, August 2019
Der Originalartikel ist erschienen in Magazin Training, Nr. 4, Juni 2019.
Photo: Chris Zvitkovits

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